Die Bestandsaufnahme im Umweltschutz
Teil 2: Rechtsvorschriften und weitere Schlüsselbereiche

Eine Grundvoraussetzung für die Zertifizierung oder Eintragung eines Umweltmanagementsystems ist die Verpflichtung zur Einhaltung der relevanten Umweltvorschriften und anderer umweltrelevanter Anforderungen, zu denen die Organisation sich verpflichtet hat (z.B. gegenüber Kunden, Programme wie “Responsible Care”). Dazu muss die Organisation ein Verfahren einführen, um die für ihre Umweltaspekte relevanten Anforderungen zu ermitteln und zu bestimmen, wie diese auf ihre Umweltaspekte anwendbar sind. Die Organisation muss nachweisen können, wie sie für die Einhaltung der Umweltvorschriften sorgt und die Anforderungen dauerhaft erfüllen (EMAS) bzw. die Einhaltung dieser Anforderungen  regelmäßig bewerten (ISO 14001).

EMAS-Verordnung

Anhang I.A.3.2. Gesetzliche und andere Forderungen:
Die Organisation muss (ein) Verfahren einführen und aufrechterhalten, um gesetzliche und andere Forderungen zu ermitteln und zugänglich zu machen, zu deren Einhaltung die Organisation sich verpflichtet und die für die Umweltaspekte ihrer Tätigkeiten, Produkte oder Dienstleistungen relevant sind.

B.1. Einhaltung der Rechtsvorschriften
Organisationen müssen nachweisen können,
a) dass sie alle relevanten Rechtsvorschriften ermittelt haben und deren
   Auswirkungen auf die Organisation kennen
b) dass die für die Einhaltung der Umweltvorschriften sorgen
c) über Verfahren verfügen, die es ihnen ermöglichen, diese
   Anforderungen dauerhaft zu erfüllen.

ISO 14001

4.3.2 Gesetzliche und andere Forderungen:
Die Organisation muss (ein) Verfahren einführen und aufrechterhalten, um gesetzliche und andere umweltbezogene Anforderungen zu ermitteln und zu bestimmen, wie diese auf ihre Umweltaspekte anwendbar sind. Umweltgesetzliche und andere umweltbezogene Anforderungen müssen beim Aufbau des Umweltmanagementsystems beachtet werden.

Die relevanten Umweltvorschriften, andere umweltrelevante Anforderungen, der Zusammenhang mit den Umweltaspekten und der aktuelle Stand der Einhaltung sollten ebenfalls in der Bestandsaufnahme ermittelt werden.

Aus der Erfahrung mit dem Aufbau von Umweltmanagementsystemen empfiehlt es sich, noch zwei weitere Schlüsselbereiche zu berücksichtigen; bei EMAS sind diese in den Anforderungen des Anhang VII genannt und damit verbindlich:

Bestehende Praktiken des Umweltmanagements

In jedem Betrieb werden bereits vor Einführung eines formellen Umweltmanagementsystems zahlreiche umweltrelevante Tätigkeiten ausgeführt, sind Verantwortlichkeiten festgelegt und bestehen möglicherweise umweltrelevante Arbeits- oder Verfahrensanweisungen. Die Verantwortlichkeiten, bestehende Vorgaben und/oder die praktizierten Vorgehensweisen sollten bei der Bestandsaufnahme erfasst werden, denn sie bilden eine wichtige Basis für die zu erstellenden Regelungen, v.a. zu Verantwortlichkeiten und Ablauflenkung.

Untersuchung früherer Vorfälle

“Frühere Vorfälle”, also umweltrelevante Zwischen- und Unfälle, sollten unter zwei Gesichtspunkten untersucht werden:

1. Sind alle Folgen beseitigt oder können noch Auswirkungen bestehen (z.B. Boden- oder Grundwasserbelastungen bei einem Verschütten von Gefahrstoffen)?

2. Sind Maßnahmen getroffen worden, um eine Wiederholung dieses Vorfalls in der Zukunft zu vermeiden? Sind diese Maßnahmen ausreichend?

Damit umfasst die Bestandsaufnahme/Umweltprüfung insgesamt 4 Schlüsselbereiche:

  • Bestimmung der bedeutenden Umweltaspekte, dieses schließt die Festlegung (und Beschreibung) von Kriterien zur Bewertung ein.
  • Ermittlung relevanter umweltrechtlicher und anderer umweltrelevanter Anforderungen, ihre Anwendung auf die Umweltaspekte des Unternehmens und des Stands der Einhaltung dieser Anforderungen
  • Untersuchung der bestehenden Praktiken des Umweltmanagements
  • Untersuchung früherer Vorfälle

Wegen der Bedeutung der Bestandsaufnahme als Grundlage für den Aufbau des Managementsystems gibt es Fachleute, die schätzen, dass sie alleine etwa 50% des Gesamtaufwandes bei der Einführung eines Umweltmanagementsystems ausmacht! Dies mag hoch gegriffen sein, keineswegs sollte man aber die Bedeutung der Bestandsaufnahme unterschätzen. Vor allem ist wichtig, sich nicht selbst zu belügen, indem unangenehme Punkte weggelassen werden. Nur eine ehrliche Bestandsaufnahme ist die Basis für ein gutes Managementsystem. Und keine Angst vor der Öffentlichkeit: Der Bericht über die Bestandsaufnahme ist ein internes Dokument. Nur der - zur Vertraulichkeit verpflichtete - Umweltgutachter oder Zertifizierungsauditor wird sich den Bericht ansehen.

>> Teil 1: Bedeutende Umweltaspekte bestimmen

>> Teil 3:
Vorbereitung der Bestandsaufnahme

© Jürgen Paeger 2004 - 2009