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Hintergrundwissen
Eine kleine Geschichte des Qualitätsmanagement

Qualität dürfte als Thema vermutlich so alt sein, wie die Herstellung und der Tausch von Waren: Wer Waren eintauschte, wird sich für die Qualität der erhaltenen Gegenleistung interessiert haben. Mit zunehmendem Handel wurde dieses Thema immer wichtiger; und es entstanden die ersten Institutionen, die die Qualität von Produkten sichern sollten, etwa die Vorschriften und Kontrol­len der Zünfte im Mittelalter. Eine ganz neue Dimension gewann das Thema aber mit der Industriellen Revolution, vor allem mit der Fließbandfertigung – waren es doch oftmals ungelernte Arbeiter, die (auch noch bezahlt im Akkord) – am Fließband komplexe Produkte wie etwa ein Auto herstellen sollten.

Foto von W. Edwards Deming 1950 in Tokio

Der amerikanische Ingenieur W. Edwards Deming
1950 in Tokio: Amerikaner halfen Japans Wirtschaft
nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Entwicklung von
Qualitätsmethoden, die später in die USA zurückgebracht
wurden. Foto: Aus wikipedia, >> W. Edwards Deming,
gemeinfrei.

Der amerikanische Ingenieur Frederick Taylor, der Anfang des 20. Jahrhunderts die wissen­schaftliche Betriebsführung (scientific management) mit weitgehender Arbeitsteilung ent­wickelte, sah etwa den „Inspekteur“ als eigene Funktion vor. Dessen Aufgabe bestand vor allem darin, nicht funktionierende Erzeugnisse auszusortieren (1), damit sie repariert werden konnten. Bald erkannten einige große amerikanische Firmen aber, dass es billiger war, Qualität von vornherein in die Produkte einzubauen, anstatt nachträglich Defekte zu suchen und zu reparieren: So hat etwa bei den Bell Telephone Laboratories der Ingenieur Walter A. Shewhart in den 1930er Jahren statistische Methoden zur Qualitätssteuerung (2) wie die Qualitäts­regelkarte (ein Instrument zur grafischen Darstellung statistischer Stichproben) entwickelt.

Breite Anwendung fanden solche Methoden aber erst im Zweiten Weltkrieg, als die amerika­nische Regierung zur Vermeidung von Materialfehlern auf die konsequente Anwendung moderner Methoden zur Qualitätskontrolle bei Zulieferern der Streitkräfte drängte. Ein Schüler Walter A. Shewharts, W. Edwards Deming, brachte diesen die statistische Prozesskontrolle bei; und später sollte auf dieser Grundlage die 1959 verabschiedete Norm MIL Q-9858 Quality Program Requirements entwickelt werden, der bald ähnliche NATO-Normen (AQAP – Allied Quality Assurance Programs) folgten. In der zivilen Industrie ließ das Interesse an Qualitäts­fragen zunächst aber nach – ihre Produkte verkauften sich nach den Entbehrungen des Krieges auch ohne solche Programme. Eine Ausnahme war Japan: Das Land setzte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft auf Qualität, und die Japanese Union of Scientists and Engineers lud W. Edwards Deming zu einer Serie von Vorträgen ein. Demings Ideen fielen in Japan auf fruchtbaren Boden, vor allem sein Qualitäts-Regelkreis (kommt es zu Abweich­un­gen, werden diese analysiert, ihre Ursachen gefunden und abgestellt) wurde konsequent umgesetzt. Zwei Jahre später wurde auch der in Rumänien geborene und seit 40 Jahren in den USA lebende Wirtschaftsingenieur Joseph M. Juran nach Japan eingeladen, der im Jahr 1951 ein Quality Control Handbook veröffentlicht hatte: Jurans Qualitäts-Triologie beruhte auf Qualitätsplanung (Festlegung von Qualitätszielen und entsprechender Planung von Produk­tions­prozessen (3) und Qualitätskontrollen), Qualitätsregelung (Bewertung des Qualitäts­standes und Ableiten von Maßnahmen) und Qualitätsverbesserung; Juran wies noch stärker als Deming darauf hin, dass Qualität eine Managementphilosophie sein müsse, in deren Mittelpunkt der Kunde steht, und wandte das Kunden-Lieferanten-Konzept auch innerhalb eines Unternehmens an, so konnte ein Mitarbeiter „Kunde“ eines anderen Mitarbeiters sein.

Die Lehren Demings und Jurans wurden von japanischen Wissenschaftlern und Ingenieuren aufgegriffen und weiterentwickelt – Taichi Ohno entwickelte das Toyota Production System; Kaoru Ishikawa die Company Wide Quality Control (CWQC, die die Einbeziehung aller Mit­arbeiter aller Ebenen bei der Qualitätskontrolle förderte) und ein Ursache-Wirkungs-Dia­gramms (Ishikawa-Diagramm); Genichi Taguchi den Gebrauch statistischer Methoden für die Fertigungsplanung; Shigeo Shingo das Poka Yoke-System zur sofortigen Entdeckung von Fehlern und die Fehlerquelleninspektion und Yoji Akao und Shigera Mizuno das Konzept des Quality Function Deployment (QFD) zur gezielten Umsetzung von Kundenwünschen im Produktentstehungsprozess. Es sollte knapp 30 Jahre ab Deming und Juran dauern, bis der Lohn der Anstrengungen für die japanische Industrie unübersehbar war: Ganze Industrien, wie die Elektronik-, Optik- und die Motorradindustrie wurden von japanischen Unternehmen be­herrscht, und in den 1970er Jahren wurde auch die japanische Automobilindustrie zur Be­drohung für amerikanische und europäische Unternehmen. Generell hatte sich der Markt gewandelt: Aus dem vom Mangel geprägten ungesättigten „Herstellermarkt“, in dem gekauft wurde, was im Angebot war, war ein gesättigter „Kundenmarkt“ geworden, in dem der Kunde entschied, was er kaufen wollte. Qualitätsanforderungen der Kunden bekamen damit einen viel höheren Stellenwert. Im Jahr 1980 stellte ein NBC-Dokumentarfilm mit dem Titel „If Japan can … Why can’t we?“ W. Edwards Deming einem breiten Publikum vor – Deming wurde mit 80 Jahren berühmt und seine Seminare waren trotzt rasant steigender Preise ausgebucht. Jetzt wurde auch in den USA wieder intensiv am Qualitätsthema gearbeitet. Deming entwickelte seinen Qualitäts-Regelkreis zum PDCA-Zyklus (Plan, Do, Check, Act – Planen, Umsetzen, Überprüfen, Handeln) weiter: Auf der Basis einer Bestandsaufnahme werden Ziele geplant, es wird überprüft, ob diese bei der Umsetzung erreicht werden; wenn ja, werden Verbesserungen zum neuen Standard gemacht, wenn nein, müssen Probleme erkannt und abgestellt werden. Ishikawas CWQC wurde zum Total Quality Management (4) (>> TQM) weiterentwickelt und die Null-Fehler-Programme, die in den 1960er Jahren für die Herstellung von Raketen für das Militär entwickelt wurden, zum Six-Sigma-Ansatz, bei dem verschiedene Qualitätswerkzeuge verwendet werden, um Prozesse mit dem Ziel einer Nullfehlerproduktion zu messen, zu analy­sieren, zu überwachen und zu verbessern.

Parallel hierzu wurde in England im Jahr 1979 die eigentlich in der Tradition der AQAP-Normen für die Rüstungsindustrie gedachte, aber aus Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der briti­schen Industrie für alle Industriezweige weiterentwickelte Qualitätsmanagementnorm BS (British Standard) 5750 veröffentlicht. Diese Norm wurde zur Vorlage zur 1987 veröffentlichten ersten Fassung der weltweit gültigen Normenserie ISO 9000 ff. Diese kam in einer zunehmend globalisierten Wirtschaft dem Bedürfnis nach einer Vereinheitlichung nach, und wurde in den Industrieländern schnell angenommen. Im Jahr 2000 wurde die Normenserie grundlegend überarbeitet und die ISO 9001 zur alleinigen Spezifikation gemacht, in der Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem festgelegt werden; im Jahr 2008 wurde sie geringfügig über­arbeitet. Im Jahr 2015 wurde die aktuelle Fassung (die sich durch eine neu geforderte Kontext­analyse und einem an einem Standard, der HLS, orientierten Normgliederung von der Vorgängerfassung 2008 unterscheidet) verabschiedet (>> ISO 9001:2015). In internationalen Konzernen, etwa in der Automobil- und Chemieindustrie, ist Qualitätsmanagement heute längst Standard. Manche andere Unternehmen tun sich mit dem Ansatz noch etwas schwer, dass Qualität vom Kunden bestimmt werden soll, wo sie doch in Deutschland traditionell von Ingenieuren oder aber vom Chef definiert wird.

Anmerkungen:

(1) Dabei handelt es sich um Qualitätskontrolle – die Prüfung, ob ein Produkt vorgegebene Qualitätsanforderungen einhält.

(2) Qualitätssteuerung bedeutet, dass hierbei im Unterschied zur Qualitätskontrolle auch der Fertigungsprozess betrachtet wird.

(3) Mit der Einbeziehung von Entwicklungsprozessen erfolgte die Weiterentwicklung der Qualitätssteuerung zur Qualitätssicherung.

(4) Das Qualitätsmanagement umfasst die Beschreibung der zur Qualitätskontrolle, -steuerung und –sicherung getroffenen Maßnahmen (>> mehr); Total Quality Management bedeutet dabei über das Erfüllen von (Norm-)Vorgaben hinaus die stetige Verbesserung aller Unternehmensteile (nicht nur der "qualitätsrelevanten Prozesse").

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