REACH
Eine kurze Einführung

 

Grundlagen

Seit dem 18. September 1981 mussten neue chemische Stoffe vor dem Vertrieb in Europa gemäß EWG-Richtlinie 67/5481 – in Deutschland im Chemikaliengesetz umgesetzt – angemeldet werden. Für diese Anmeldung musste der Hersteller oder Importeur den Stoff auf mögliche Gefährdungen der Umwelt und der menschlichen Gesundheit prüfen. (Die nach dieser Vorgabe angemeldeten Stoffe, die sogenannten Neustoffe, sind im ELINCS-Verzeichnis (European List of Notified Chemical Substances) aufgelistet: ecb.jrc.ec.europa.eu/new-chemicals/ - Register oben "ELINCS" anklicken.) Seit dem 1. Juni 2008 erfolgt die Anmeldung neuer chemischer Stoffe nach der EG-Verordnung Nr. 1907/2006, nach dem englischen Titel der Verordnung (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) als REACH-Verordnung bekannt.

REACH betrifft aber nicht nur die Anmeldung neuer Stoffe. Denn bereits vor dem 18. September 1981 befanden sich etwa 100.000 chemische Stoffe auf dem europäischen Markt, die sogenannten Altstoffe (zu finden im Altstoffverzeichnis EINECS - European Inventory of Existing Commercial Chemical Substances). Gerade für diese seit langem verwendeten Chemikalien liegen oftmals keine ausreichenden Daten zur Gefährdung von Gesundheit und Umwelt vor; diese Lücke zu schließen, war ein Hauptgrund für die Verabschiedung der REACH-Verordnung. Diese Altstoffe müssen jetzt registriert werden (siehe Kasten), wenn sie in Mengen von mindestens 1 Tonne im Jahr hergestellt werden (“phase-in-Stoffe” im Sinne der Verordnung). In der Pflicht sind Hersteller oder Importeure solcher Altstoffe. Für die Registrierung sind Untersuchungen zum Risiko dieser Stoffe für Umwelt und Gesundheit durchzuführen; die damit verbundenen Kosten – und das Risiko, dass Stoffe wegen dieser Kosten vom Markt verschwinden könnten – haben REACH zu einem viel diskutierten Thema gemacht.

REACH: Fristen, Registrierung, Zulassung

Registriert werden müssen Altstoffe, von denen mindestens eine Tonne im Jahr hergestellt werden (“phase-in-Stoffe”). Diese Stoffe mussten bereits zum 1. Dezember 2008 vorregistriert werden, um weiter verwendet werden zu dürfen. Die Fristen für die endgültige Registrierung betrugen bzw. betragen:

  • 01.12.2010 für Stoffe, die nach dem 1. Juni 2007 mindestens einmal in Mengen von mindestens 1.000 Tonnen im Jahr hergestellt werden, sowie einige besonders gefährliche Stoffe (CMR, PBT, vPvB) ab 1 Tonne im Jahr und umweltgefährdende Stoffe (R50/53) ab 100 Tonnen im Jahr.
     
  • 01.06.2013 für Stoffe, die nach dem 1. Juni 2007 mindestens einmal in Mengen von mindestens 100 Tonnen im Jahr hergestellt werden
     
  • 01.06.2018 für Stoffe, die nach dem 1. Juni 2007 mindestens einmal in Mengen von mindestens einer Tonne im Jahr hergestellt werden.

Die Registrierung erfolgt bei der Europäischen Agentur für chemische Stoffe (ECHA) in Helsinki über ein Registrierungsdossier, das ab 100 Tonnen im Jahr eine dokumentierte Stoffsicherheitsbeurteilung umfasst (Stoffsicherheitsbericht). Das Registrierungsdossier umfasst unter anderem Informationen zu(r) Verwendung(en) des Stoffes, Einstufung und Kennzeichnung sowie Leitlinien zur sicheren Verwendung. Der Stoffsicherheitsbericht umfasst alle relevanten physikalisch-chemischen, toxikologischen und ökotoxikologischen Daten. Stellt sich ein Stoff als Gefahrstoff heraus, ist eine Expositionsbeurteilung auf Basis von Expositions- und Risikoszenarien durchzuführen und sind Maßnahmen zur Risikobeherrschung zu ermitteln.

Stoffe mit besonders gefährliche Eigenschaften (CMR, PBT, vPvB, ... - SVHC-Stoffe im Sinne der Verordnung), können sie einer Zulassungspflicht unterliegen. Diese werden im Anhang XIV der Verordnung (“Zulassungsliste”) mit “Verfallsdatum” geführt, nach dem sie ohne Zulassung nicht mehr verwendet werden dürfen. Der Antrag auf Zulassung muss 18 Monate vor Ablauf des “Verfallsdatums” gestellt werden; auch Anwender können diesen Antrag stellen. Die ersten sechs Stoffe wurden am 17. Febuar 2011 mit der VO 143/2011/EU in den Anhang XIV aufgenommen; insgesamt wird die Zahl der potenziellen Zulassungskandidaten auf 1.500 geschätzt. “Kandidaten” für die Zulassungsliste werden vorab auf der ECHA-Internetseite veröffentlicht (Kandidatenliste). Die Herstellung, Verwendung und das Inverkehrbringen von gefährlichen Stoffen kann auch beschränkt werden, diese Beschränkungen sind in Anhang XVII der Verordnung enthalten.

Weitere Informationen im Internet:
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Website der Europäischen Chemikalienagentur ECHA (großteils englischsprachig)
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Empfehlungen zur Aufnahme in die Zulassungsliste
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Kandidatenliste

Was müssen/sollten Anwender tun?

Die REACH-Verordnung betrifft in erster Linie Hersteller und Importeure chemischer Stoffe, die im EINECS-Verzeichnis aufgeführt sind, da diese nun registriert werden müssen. Zum anderen kann die Verordnung aber auch Anwender dieser Stoffe treffen, aus drei Gründen:

  • Der Hersteller oder Importeur beschließt, dass sich die Kosten für das Registrierungsverfahren nicht lohnen und nimmt den Stoff vom Markt. Denkbar ist dies vor allem für in kleineren Mengen vermarktete Spezialchemikalien.
     
  • Sollte sich bei der Sicherheitsbeurteilung im Rahmen des Registrierungsverfahrens herausstellen, dass der chemische Stoff gefährliche Eigenschaften hat (>> Gefahrstoff), muss der Hersteller die mögliche Exposition auf Basis der ihm bekannten Verwendungen ermitteln; nur für diese Verwendungen darf der Stoff dann zukünftig auch genutzt werden.
     
  • Die Titel IV “Informationen in der Lieferkette” und V “Nachgeschaltete Anwender” enthalten auch Pflichten für Anwender von chemischen Stoffen.

1 Unternehmen, die weniger gebräuchliche chemische Stoffe verwenden, sollten mit ihrem Lieferanten abklären, ob der Hersteller oder Importeur beabsichtigt, nach der Vorregistrierung auch tatsächlich eine Registrierung durchzuführen. Ansonsten müssen sie sich um eine Alternative kümmern: Entweder den Stoff durch einen anderen ersetzen oder sich einen anderen Lieferanten suchen.

2 Zweitens sollten Sie dem Hersteller mitteilen, falls Sie einen Stoff für eher ungewöhnliche Verwendungen nutzten, damit er diese bei der Registrierung berücksichtigen kann. Mitgeteilte Verwendungen müssen vom Hersteller oder Importeur bei der Registrierung berücksichtigt werden; er kann bestimmte Anwendungen aber aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes ablehnen. Dies muss dem Anwender und der Registrierungsbehörde ECHA mitgeteilt werden. (Wenn ein Anwender einen Stoff dennoch für die vom Hersteller nicht akzeptierte Verwendung nutzen will, müsste er einen eigenen Sicherheitsbericht erstellen.)

3 Drittens kann es passieren, dass Stoffe mit besonders gefährlichen Eigenschaften nicht zugelassen werden oder ihre Verwendung eingeschränkt wird (>> hier). Diese Stoffe sind zuerst in einer “Kandidatenliste”, später in der “Zulassungsliste” aufgeführt. Wer solche Stoffe verwendet, sollte die Kandidaten-/Zulassungsliste im Auge behalten, um Überraschungen zu vermeiden. Wer Produkte herstellt, in denen Stoffe aus der Kandidatenliste zu mehr als 0,1 Massenprozent (w/w) vorhanden sind, muss seine Kunden darüber informieren (ab 1.6.2011 auch die ECHA, wenn der Stoff in Mengen von mehr einer Tonne/Jahr verwendet wird).

4 Viertens werden die Hersteller/Importeure neue Sicherheitsdatenblätter mit Hinweisen zur sicheren Verwendung erstellen (Risikominimierungsmaßnahmen) erstellen. Diese ersetzen nicht die Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung (>> mehr), sollten aber bei der Festlegung der Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Sobald die neuen Sicherheitsdatenblätter vorliegen, sollten Anwender prüfen, ob die Verwendung in ihrem Betrieb durch die Expositionsszenarien abgedeckt sind und ihre Gefährdungsbeurteilung und die Betriebsanweisungen zum Umgang mit Gefahrstoffen aktualisieren.

5 Fünftens müssen Nutzer ihren Lieferanten informieren, wenn sie neue Informationen über gefährliche Eigenschaften des Stoffes/Gemisches haben oder etwas entdecken, was die Eignung der im Sicherheitsdatenblatt angegebenen Risikominderungsmaßnahemn in Frage stellen könnte.

 

Weitere Informationen im Internet:

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Aktuelle Rechtstexte zur REACH-Verordnung, einschließlich Änderungen der
     Anhänge
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REACH-CLP-Helpdesk der Bundesbehörden (hier unter anderem unter Broschüren:       “REACH-Info 5: Rechte und Pflichten des nachgeschalteten Anwenders unter REACH”

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1Anmerkung zu Rechtsthemen: Im Rahmen dieser Seiten ist nur ein allgemeiner Überblick möglich und beabsichtigt; daher kann es vorkommen, dass für den jeweiligen Einzelfall relevante Regelungen hier nicht betrachtet werden. Diese Seiten sind nur als erster Einstieg und keinesfalls als Quelle für rechtsbezogene Entscheidungen geeignet. Eine Haftung für den Inhalt kann ich daher nicht übernehmen, das Geltendmachen von Ansprüchen jeder Art ist ausgeschlossen.

© Jürgen Paeger 2004 - 2011
 

CMR = krebserregend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend; PBT = persistent und bioakkumulierbar und toxisch (langlebig und sich in Lebewesen anreichernd und giftig);
vPvB = sehr persistent und sehr bioakkumulierbar

SVHC = Substances of Very High Concern